Die Geschichte von dem verhängnisvollen Medaillon (Leseprobe)

Das kleine ICH lebte in einem geheimnisvollen Land, das noch keiner gesehen hat, und trotzdem jeder kennt.
Dort ging es gerne in den stillen, kühlen Tannenwäldern spazieren. Eines Tages bemerkte es dabei ein funkelndes Blitzen zwischen den braunen Nadeln des Waldbodens. Es kniete nieder und fand ein ovales Schmuckstück.
Ein Medaillon, das aus blankgeputztem strahlendem Silber bestand. Es war kein besonders wertvolles Stück, ausser womöglich für denjenigen, der es verloren hatte. Möglich sogar, dass es für ihn unersetzbar war, denn wer konnte schon ahnen, welch ein Leben, welch eine Geschichte sich mit dem Schmuckstück verband. Das ICH klappte das Medaillon auf und las: "Mathilde Alt, Große Bergstraße, Haus Nr. 5"

Mathilde Alt

Es überlegte. Wo die Große Bergstraße war, wusste es wohl, jedoch diese war weit. Zu weit, beschloss das ICH, nahm das Medaillon mit nach Hause und verwahrte es dort, obwohl es kein gutes Gefühl dabei hatte.
Wenige Tage später, als es das Medaillon schon längst vergessen hatte, spazierte es denselben Weg entlang und bemerkte dabei einen Zettel, der an einer hohen schlanken Tanne angeschlagen war. Darauf stand:
"Wer hat mein Medaillon gefunden? Bitte bringe es mir zurück. Mathilde Alt, Große Bergstraße, Haus Nr. 5. Vielen Dank!"

 

Das ICH erinnerte sich, das konnte nur das Medaillon sein, das es vor kurzem hier gefunden hatte. Aber die Große Bergstraße war weit. Zu weit, beschloss das ICH erneut, verdrängte seine innere Stimme und machte sich auf den Heimweg.
Es kam noch an weiteren, den schmalen Weg säumenden Bäumen vorbei. Auch hier hingen die gleichen Zettel, doch die beachtete es nicht mehr.
Mehrere Wochen vergingen, ehe das ICH noch einmal denselben Weg entlangspazierte. An den Bäumen hingen wieder Zettel, doch diesmal stand etwas anderes darauf:
"100 Goldtaler Belohnung demjenigen, der mir mein Medaillon zurückbringt! Mathilde Alt, Große Bergstraße, Haus Nr. 5."

 

Natürlich, das ist das Medaillon, das ich gefunden habe, fiel es dem ICH erfreut ein. Große Bergstraße, überlegte es. Das ist weit, sehr weit… Aber die 100 Goldtaler hätte ich gern.
So lief es eiligst nach Hause, holte das Medaillon und machte sich auf den Weg zur Großen Bergstraße. Dort angekommen, suchte das kleine ICH das Haus Nr. 5 und klopfte. Es dauerte eine Weile, bevor eine gepflegte alte Frau öffnete. Als das ICH ihr das Medaillon übergab, hatte sie Tränen der Freude in den Augen, überschüttete es mit Dank und reichte ihm die 100 Goldtaler, in einem braunen Säckchen. Sie wogen schwer auf der Hand des kleinen ICHs und es zögerte für einen Moment.

Sollte es die 100 Goldtaler wirklich annehmen? Doch die Belohnung lockte. Schließlich und endlich nahm das ICH die 100 Goldtaler, verabschiedete sich höflich und ging. Zu diesem Zeitpunkt ahnte es nicht, welch schwerwiegende Folgen diese Entscheidung haben sollte.

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